Wir stehen nicht erst am Anfang der Digitalisierung, sondern sind bereits mitten drin. Wenn man die Produkte der Industrie 4.0 ansieht, so fühlt man sich bereits in der neuen Welt angekommen. 3-D-Drucker haben mittlerweile Industrie-Reife erreicht und revolutionieren bereits den Hausbau. Künstliche Intelligenz, IoT und Robotertechnik drohen, dem Menschen hochwertige Arbeitsplätze streitig zu machen. Wer die Zeichen der Zeit jetzt noch nicht verstanden hat, der wird den Zug in die digitale Zukunft wohl verpassen.
Nur, was als wichtig angesehen wird, ist nicht notwendigerweise auch dringend. Wer hat denn schon eine digitale Strategie und weiss wohin die Reise der digitalen Transformation gehen soll? Es gibt sie auch bei uns in der Schweiz, diese etablierten Unternehmen als Vorreiter der digitalen Zukunft. Diese machen gerade ihre ersten Erfahrungen im Laborstadium und schlagen sich das eine oder andere Knie blutig. Da haben es Newcomer auf dem Markt etwas leichter, weil sie nichts ausser ihrem Einsatz zu verlieren hab
Eine Cloud macht noch keinen Frühling
Wo die Strategie fehlt, wird digitaler Aktionismus betrieben. Es gilt, die Technik der Zukunft ins eigene Haus zu holen und diese vor den wirklichen Business-Bedarf und vor vorhandene Prozesse und Strukturen zu stellen. So muss häufig eine Cloud-Strategie definiert und umgesetzt werden, mit der primären Herausforderung, den Status quo in die neue Welt zu überführen. Die bis heute primär auf Kosteneffizienz getrimmten IT-Organisationen werden nun etwas agiler und noch effizienter. Der Mehrwert liegt in erster Linie in noch kostengünstigeren Infrastrukturen für IT und Entwicklung. Die digitale Transformation findet zunächst intern in den IT-Abteilungen statt. Das Business ist mit der gewonnenen Flexibilität vorerst überfordert.
Eine Cloud macht noch keinen Frühling. Aber mit dem Essen kommt bekanntlich der Appetit. Wenn noch vor wenigen Jahren selbstbewusste CISOs standhaft eine "Cloud-niemals"-Strategie vertreten haben, so verfügen mittlerweile viele Organisationen über eine "Cloud-first"- und bereits etliche schon über eine "Cloud-only"-Strategie. Auch das Business hat die Vorzüge von einfachen SaaS-Produkten im Markt erkannt und beschafft diese mit oder ohne Segen der IT gleich selbst. Die Realität ist eine Multi-Hybrid-, Multi-Cloud-Sourcing-Strategie mit Einbezug von zentralen Kernapplikationen auf bestehenden Legacy-Infrastrukturen. Ein regelrechtes Crowdworking mit ständig wechselnden Partnern. Intern werden die Teams zusammengelegt, um Silo-Mentalitäten zu überwinden und die aufwändigen Übergabeprozesse zu verschlanken und möglichst zu automatisieren. Der Mehrwert liegt wieder einmal in der Effizienz, und die interne IT rationalisiert sich quasi selbst weg.
Und wir tappen wieder einmal mehr in die gleiche Falle: Wir lassen uns von den schier grenzenlosen Möglichkeiten der aufstrebenden Technologie blenden. Wir rennen sozusagen im Multi-Speed-Modus von den internen Silos zu externen Cloud- und Sourcing-Silos. Geblendet von den zweifelsohne vorhandenen Vorteilen der einzelnen Dienste der aufstrebenden Provider, haben wir völlig übersehen, einen Plan zu erstellen, wie wir die neugewonnene Komplexität managen wollen. Wie koordinieren wir das On- und Off-Boarding neuer Provider und deren Mitarbeiter? Wie managen wir die Touch-Points zwischen den Providern, und wie stellen wir den Informationsfluss zwischen diesen sicher? Wie koordinieren wir Technologie-Upgrades oder Störungsprozesse? Wie überwachen wir schon grundsätzlich die Nutzung der Services und deren Abrechnung? Und wer hat eine End-to-End-Verantwortung über die Qualität, Sicherheit, Compliance und Performance des letztlich beim Business aufschlagenden Services? Wie schaffen wir nach knüppelhart verhandelten Verträgen ein kollaboratives Arbeiten, in dem das Motto "fix first, settle later" zur Maxime gehört?
Wer die Klaviatur des Multi-Cloud-Sourcing nicht beherrscht, fliegt aus dem Driving-Seat und hat die Enabler-Rolle für die digitale Transformation des Unternehmens verwirkt. Eine Cloud- oder auch digitale Strategie muss zu Ende gedacht sein. Diese fängt nicht beim externen Provider an – sondern beim Nutzen für das Business. Die Rolle des Service-Integrators und damit Schnittstelle zwischen Business und Provider muss geklärt werden. Die Anforderungen und Skills müssen verstanden sein, ebenso wie externe Partner und Services in das neue Betriebsmodell integriert werden, um gemeinsam einen echten Mehrwert für das Business zu erbringen. Ohne diese Klärung wird die digitale Transformation zur Mission impossible.